Geschichte der Utopia Velo Fahrradmanufaktur
1982 wurde Utopia Velo in Frankfurt gegründet und schnell bekannt, da die Möwe auf der IFMA als Fahrrad des Jahres ausgezeichnet wurde. Die Marke Utopia stand für die neue Produktgruppe von hochwertigen Alltags- und Reiserädern, optimal für Vielfahrer, Große und Schwere, die langlebige und sehr gut zu fahrende Räder brauchten. Der Fahrradmarkt veränderte sich dadurch in den folgenden Jahren.
Die Ausstattung der Räder wurde von anderen Herstellern übernommen. Die Rahmen der Räder sind dagegen bis heute noch einzigartig. 100-jährige Erfahrung von unserem Rahmenbauer in Holland garantieren zusammen mit der ständigen Weiterentwicklung die weltweit einzigartigen Räder mit hohem Fahrkomfort, die leicht und schnell fahren.
Utopia feierte 2007 das 25-jährige Jubiläum auf dem eigenen Gelände. Wir haben etwa 200 Bilder davon eingestellt sowie die Rede von Barbara und Bernd Rohloff und die Computer-Präsentation zur Geschichte der Utopia Fahrradmanufaktur.
Sommerfest 2008
Das Geschenk vom Rohloff Team
Ein Original "Locomotief" "Super de Luxe" Kranich von 1950
Werbebanner auf der IFMA 2007
Historisches Interview von 1992
mit Inge Wiebe und Ralf Klagges
Wir sitzen im Büro von Inge Wiebe-Klagges (W) und Ralf Klagges (K) in der Utopia Fahrradmanufaktur. Die ist jetzt 10 Jahre alt, deshalb dieses Interview. Also zur Sache: Frau Wiebe, ein Firmenjubiläum ist doch Anlaß über Vergangenes nach zu denken.
Wie kamen Sie vor 10 Jahren dazu, sich mit der Herstellung von Fahrrädern zu beschäftigen?
W: Das war für mich eine ungemein interessante Herausforderung. In die Wiege gelegt war es mir nicht. Das Fahrrad war in meiner Jugend zwar ein wichtiges Verkehrsmittel, aber dann geriet es in Vergessenheit. Durch die Umweltdiskussionen in der Frankfurter Ökobewegung fing ich Ende der 70er Jahre wieder mit dem Radfahren an.
Von da aus bis zur Gründung der Firma war das aber sicher noch ein weiter Weg, Gab es einen konkreten Auslöser?
W: Aber ja, die Freundschaft mit Ralf Klagges. Die ist durch ein Fahrrad entstanden, das ich bei ihm gekauft hatte.
K: In meiner Fahrradhandlung in Frankfurt. Dort montierten wir selbst Reiseräder und verkauften vor allem robuste, alltagstaugliche Tourenräder aus England. Doch zu Beginn der 80er paßte sich auch dieser Fahrradhersteller den billigen Produkten im Markt an. Der "Leichtbau" ging zu Lasten der Alltagstauglichkeit.
W: Da entstand die Idee, selber Räder zu bauen. Das war aber im Rahmen eines Geschäftes nicht möglich. Von seinen ersten, faszinierenden Ideen bis zur Gründung wurde dann viel diskutiert, geplant und gefeilt. Schließlich sollte das Projekt auch kaufmännisch auf soliden Beinen stehen. Das war ja mein Beruf.
Habt Ihr damals schon zusammengearbeitet?
W: Nein, woher denn auch. Ich war Geschäftsführerin eines Trägervereins für Kinderläd en, Krabbelstuben und die Freie Schule Frankfurt. Er hatte das Fahrradgeschäft. Erst als wir "Utopia" entwickelt haben, wurde klar, daß wir dabei zusammenarbeiten müssen. Daß es nur gemeinsam geht.
"Wir haben uns trotzig, aber sehr bewußt, für den Namen Utopia entschieden."
Das ist das Stichwort: Utopia. Dies ist ja nun wirklich ein ausgefallener Name. Er bietet viel Raum für Interpretationen. Was habt Ihr Euch dabei gedacht?
K: (lacht) Der Name hat schon zu erstaunlichen Mißverständnissen geführt.
W: Es hielten uns ja viele für verrückt. Hochwertige Alltagsräder zu bauen wäre utopisch, schallte es uns von potentiellen Lieferanten, Kollegen, Finanziers und Freunden entgegen. Räder für jeden Tag müssten einfach und vor allem billig sein, alles andere sei unrealistisch.
Bei einer Fahrradtour entlang der Nidda, in einer Äppelwoi-Kneipe, haben wir uns dann - etwas trotzig, aber sehr bewußt - für den Namen "Utopia" entschieden. In diesem Sinne stimmt der Name bis zum heutigen Tag. Wir meinen, daß europäische Fahrräder nur dann eine Zukunft haben, wenn sie einen hohen Standard in Technik und Fahrkomfort besitzen und wenn sie ständig verbessert werden.
Die Fahrräder, die ich heute hier sehe, sind nicht sonderlich auffällig. Es wurde aber auch mal ein wirklich "utopisches" Fahrrad produziert mit kleinem Vorderrad und großem Hinterrad. Was ist aus diesem Rad geworden?
K: Das Ergorad. Das haben wir im Herbst 1986 heraus-gebracht, nach unserem Umzug nach Saarbrücken. Utopisch war es eigentlich nicht, eher etwas ungewöhnlich. Es war eine Entwicklung von Helmut Reichmann, dem deutschen Segelflug-Weltmeister. Er hat mit dem Ergorad einen großen Anspruch verwirklichen wollen: Ein leichtes, sehr kurzes und damit extrem wendiges Stadtrad, mit dem man auch schweres Gepäck sicher transportieren und zudem noch eine unverkrampfte, aufrechte Körperhaltung einnehmen kann. Es war ein spannendes Rad. Helmut Reichmann hatte als Querdenker ohne Betriebsblindheit ein völlig neuartiges Rad konstruiert.
"Zur Markteinführung eine Deutschland-Tour mit dem Ergorad"
W: Zur Markteinführung haben wir damals mit dem Ergorad eine Deutschland-Tour organisiert. Das wurde in der Presse gefeiert, es erschienen enorm viele Artikel über das Rad. Doch nach der ersten Euphorie ging der Verkauf drastisch zurück. Noch heute erreichen uns Briefe von Leuten, die es täglich nutzen und die es nicht missen wollen. 1988 mußten wir die Produktion dann einstellen. Mit unserem kleinen Werbeetat konnten wir die Nachfrage nicht genügend ankurbeln.
K: Heute denke ich, daß wir mit dem Rad zur falschen Zeit herauskamen. Stadträder, humaner innerstädtischer Verkehr, das war damals nur Thema für eine Minderheit. Der Trend ging zum Mountain-Bike.
Wäre heute nicht die richtige Zeit? Alternative Verkehrsmittel zum Einkaufen in unseren Städten sind doch gefragt.
W: Das stimmt. Es wäre sicher reizvoll, das Ergorad als modernes Verkehrsmittel neu zu gestalten. Vielleicht mit einem kleinen Motor, sozusagen als ein neues "Velosolex". Doch dazu gibt es keine konkrete Planung. Leider ist auch Helmut Reichmann vor einem Jahr bei einem tragischen Unfall gestorben. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit ihm fehlt.
Über den Namen und das Ergorad sind wir in der Chronologie durcheinandergekommen. Ich möchte nochmal an die Startphase anknüpfen. Wieviele Räder wurden 1983 verkauft?
K: Keine 100 Stück, aber wir waren mächtig stolz darauf. Unsere Räume waren gerade 40qm groß. Das ist kleiner als das Büro, in dem wir jetzt sitzen.
An wen habt Ihr die Räder verkauft?
K: Die erste Nachfrage kam von Privatpersonen, nachdem im März 1983 unser erster Prospekt und die erste Anzeige in "Natur" erschienen waren. Im Laufe des Jahres bestellten dann auch Fahrradhändler aus mehreren Großstädten. Mit den meisten haben wir heute noch gute Kontakte.
W: Wie zum Beispiel mit Wolfgang Paul in Hamburg. Er feiert jetzt ebenfalls sein 10-jähriges Geschäftsjubiläum. Er hat zeitgleich mit uns eröffnet und sich seit Beginn auf Utopia-Räder spezialisiert.
Warum habt Ihr Euch dafür entschieden, über Fahrradhändler zu verkaufen? Einige Konkurrenten von Euch machen doch per Direktversand.
W: Bei einfachen Rädern mag das ja gutgehen, aber wir brauchen die Fachleute. Ein Fahrrad ist ein kompliziertes Gerät. Vor dem Kauf wünschen viele Kunden eine persönliche Beratung, Nach dem Transport muß das Rad fahrfertig gemacht werden. Später braucht es einen guten Service, wenn es lange leben und gut fahren soll. Das kann und soll auch unser Rad-Ratgeber nicht ersetzen.
1984 wurde die MÖWE auf der IFMA "Fahrrad des Jahres". Begann da der große Boom bei den Utopia Rädern?
W: Also ein Boom ist es noch immer nicht. Aber was nicht ist, kann noch werden. Unsere Verkaufzahlen haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert. Nicht zuletzt dank dem RadRatgeber. Er ist für diejenigen gemacht, die sich vor dem Radkauf intensiv mit dem Thema beschäftigen wollen. Das nimmt immer mehr zu.
K: Es gab mal einen Boom, der kam für uns sehr überraschend, als unser Modell Möwe auf der IFMA vom ADFC zum "Fahrrad des Jahres" gewählt wurde. 1985 wollten dann ganz viele ein Utopia-Rad, immer mehr Händler bestellten. Das war toll, nur waren wir darauf nicht vorbereitet. Die Räume waren zu klein, wir brauchten neue Mitarbeiter. Über Nacht war aus der Hinterhofwerkstatt ein gefragter Fahrradproduzent geworden. Das überforderte uns: Wir hatten Lieferzeiten von 3 Monaten und mehr. Und da waren die Kunden natürlich enttäuscht.
War die Wahl zum Fahrrad des Jahres also schlecht für Euch?
W: Nein, ganz sicher nicht. Der Name Utopia ist bekannt geworden, das tat uns sehr gut. Und es hat den entscheidenden Aufschwung für unsere neue Art von Fahrrädern gebracht. Damals war doch das normale Fahrrad meist ein unbequemes Billigprodukt. Durch die Wahl der Möwe zum "Fahrrad des Jahres" hat sich das verändert. Unsere Ausstattung wurde von anderen kopiert. Die Möwe ist zum Vorbild geworden. Darauf sind wir heute noch stolz.
1985 muß ja dann ein sehr bewegtes Jahr gewesen sein. Im Frühjahr Umzug von Frankfurt nach Offenbach und Ende des Jahres dann der Wechsel nach Saarbrücken. Warum?
W: Wir mußten uns vergrößern. Doch im Frankfurter Raum waren bezahlbare Montage-Räume kaum zu bekommen. Da versuchten wir es in Offenbach und sind an einen Miethai geraten. Mal war der Strom weg, mal stand alles unter Wasser. So kann man nicht arbeiten. Da fiel der Abschied nicht mehr schwer. Ich hatte noch viele Verbindungen nach Saarbrücken, also: Nix wie hemm.
K: Wir sind ja beide keine Frankfurter. Ich komme aus dem Ruhrpott, Dortmund. Inge Wiebe hatte in Saarbrücken studiert und lange Jahre dort gelebt. Frankfurt gefiel uns immer weniger, der enorme Autoverkehr, die wahnsinnigen Mieten.
W: Wir wollten Utopia endlich in Ruhe auf solide Füße stellen. Das haben wir uns vorgenommen und ich denke, das haben wir hier erreicht. Wir haben gute Mitarbeiter gefunden, mit denen es Freude macht, täglich zusammenzuarbeiten.
Der Betrieb macht heute einen ruhigen und trotzdem geschäftigen Eindruck. Die Luft in Saarbrücken muß Euch gut bekommen sein. Schon 1986 gab es mehrere neue Modelle.
K: Stimmt, neben dem Ergorad brachten wir den Kranich heraus, dazu London und WanderDohle. Alles Räder, die wir heute noch viel verkaufen.
Die WanderDohle sieht ja absolut normal aus...
K: Aber mit besonders stabilem Rahmen und tollem Fahrverhalten!
"Der LONDON war bei der Aristokratie sehr beliebt"
Kranich und London unterscheiden sich dagegen durch besondere Rahmenformen mit diesen gekreuzten Rohren. Was bezweckt Ihr damit?
W: Der London hat eine eigene Geschichte. Wir waren unzufrieden mit den normalen "Herren"-Rahmen für große Leute. Bei Körpergrößen über 185cm oder entsprechendem Gewicht wird solch ein Rahmen instabil. Der London Rahmen, übrigens eine alte englische Rahmen-Form, die um die Jahr-hundertwende bei der Aristokratie sehr beliebt war, besticht durch seine enorme Stabilität. Er ist daher fantastisch geeignet für große oder auch schwere Menschen. Nicht wahr, Ralf?
K: ...
W: Der Kranich dagegen hat den gleichen Rahmen wie die Möwe, aber stabiler durch stärkeres Rohr. Ein Fahrrad für die Stadt, für Ausflüge und Kindertransport. Es ist ein sehr bequemes, sicheres Fahrrad. Wir haben lange experimentiert, bis wir diesen Rahmen mit Durchstieg hatten. Nicht so wackelig wie die meisten "Damen"-Rahmen. Man muß sich vorstellen, daß auf über 70% der deutschen Räder Frauen sitzen. Trotzdem orientieren sich die meisten Fahrräder an den Bedürfnissen von sportlich trainierten Männern. Als ob Frauen keinen Anspruch auf eine angemessene, optimale technische Ausstattung hätten!
Ende 1986 erschien dann auch die erste Ausgabe des Rad-Ratgebers. Eine ungewöhnliche Werbe-Broschüre, eher ein Magazin. Wie kamt Ihr auf diese Idee? Es scheint ja ein Erfolg geworden zu sein.
K: Er kommt wirklich sehr gut an. Zum Beispiel sagte Herr Greven, Fahrradhändler in St. Augustin, vor kurzem zu mir, daß er den RadRatgeber immer seinen neuen Leuten zum Lesen geben würde. Das würde ihnen die Grundlagen-Kenntnisse vermitteln.
W: Der RadRatgeber war die Lösung für ein großes Problem. Wir wollen ja, daß jede oder jeder sich sein individuelles Rad zusammenstellen kann. Es soll zum Körper passen, auf die Einsatzzwecke abgestimmt sein und den speziellen Vorlieben entsprechen. Das bedeutet aber, daß die Besonderheiten von jedem Modell, jeder Ausstattung klar sein müssen. Also was wofür gut ist. Das zu erklären, ist für viele Händler nicht machbar. Und deshalb gibts den RadRatgeber.
"Der RadRatgeber, eine informative Broschüre für Laien"
K: Als wir nach Saarbrücken kamen, gab es den RadRatgeber noch nicht. Jedes Modell hatte seine tabellarische, technische Beschreibung. Unser Glück war es dann, daß Freunde und Kommunikations-Experten in langen Gesprächen die Grundidee zum RadRatgeber entwickelten. Doro Wiebe hat durch Ihr Engagement und ihre Fotos entscheident mitgestaltet hat. Er ist heute eine informative Broschüre für Laien.
Ihr schreibt wenig über die Technik der einzelnen Teile, sondern laßt euch eher über Anwendungen aus. zB. geht es bei Rahmen um die Sitzposition und nicht um die diversen Winkel und Rohrmaße. Warum?
W: Über technische Details, Materialkunde usw. gibt es in-zwischen umfangreiche Literatur und viele Fachzeitschriften. Daher war es uns wichtig, den Leser möglichst genau aus der praktischen Erfahrung zu informieren: Was kann er wovon erwarten? In den RadRatgeber ist die Erfahrung von vielen Verkaufsgesprächen eingeflossen.
Wie hoch ist die Auflage und wie verbreitet Ihr ihn?
K: Die 92er Auflage lag bei 25.000 Stück, für die Neuauflage im April 93 sind 45.000 geplant. Vertrieben wird er über Fachhändler, die ihn auslegen. Dazu wird er auf mehreren Messen vertrieben. Wir verschicken selbst auch täglich auf Anfrage. Und ab 94 soll er in den zeitschriften Vertrieb kommen.
"Der Fortschritt ist eine Schnecke"
Ihr habt Euch ganz dem Fahrrad verschrieben. Inge Wiebe ist Mitglied des Saarbrücker Stadtrates. Ralf Klagges versorgt den saarländischen Fremdenverkehrsverband mit Fahrradrouten "Rund um das Saarland" mit Etappen im Elsaß, in Lothringen und in Luxenburg. Wie schafft Ihr das alles?
K: Wir wollen die Bedingungen für das Radfahren ändern, deshalb mischen wir uns ein. Es kam fast von selber dazu, als wir uns um die Verkehrspolitik vor Ort kümmerten. Da sind wir ja sowohl beruflich als auch persönlich davon betroffen da wir tagtäglich mit dem Fahrrad fahren. Wir meinen, daß es höchste Zeit ist, daß Fahrradfahrer, -händler und -produzenten endlich eine Lobby bilden für den Fahrradverkehr. Auch wenn Günter Grass zurecht meint, "Der Fortschritt ist eine Schnecke", so hoffen wir doch, daß es vorwärts geht.
Zurück zu Utopia, wir haben bis jetzt über die Geschichte von Utopia geredet. An welchen neuen Fahrrädern tüftelt Ihr jetzt?
K: Zur Zeit beschäftigen wir uns mit Dreirädern. Wir wollen recht bald ein Dreirad - für Erwachsene, versteht sich - herausbringen.
Dreirad, das hört sich interessant an. Für welche Zwecke ist es gedacht?
W: Wenn unsere Städte weniger verstopft sein sollen, ist es an der Zeit, daß innerstädtische Behördenfahrten, kleine Zubringer-Dienste oder auch der Großeinkauf einer Familie anders als mit dem Auto geregelt werden können. Das klassische Transportrad erlebt ja aus diesen Gründen bereits eine Renaissance. Wir haben vor einem Jahr unser Transportrad, den Muli, herausgebracht. Er verbindet moderne Fahrradtechnik mit den Qualitäten eines Lastesels. Nun soll der Muli auch als Dreirad angeboten werden, eine sinnvolle Ergänzung zu unserem Anhänger Donkey.
"Der Donkey ist der Kofferraum des Fahrrades"
K: O ja. Die große Steigerung der Verkaufzahlen des Donkey zeigen deutlich, daß immer häufiger Einkäufe mit dem Fahrrad gemacht werden. Wir sind daher auch sehr stolz, daß wir seit 1988 in Deutschland exklusiv die Vertretung der dänischen Firma Winther für diesen ungemein praktischen und schönen Anhänger haben. Der Donkey gibt jedem Fahrrad einen Kofferraum dazu. Ja, gerade die neue Verbindung Donkey und Transport-Rad ermöglicht es, auch schwere Lasten und größeres Volumen zu transportieren.
Das war jetzt viel auf einmal, laßt uns schrittweise vorgehen. Ihr wollt also ein ganzes Transport-Programm herausbringen. Vom gelegenlichen Großeinkauf mit Fahrradanhänger bis zu Last-Fahrrädern für Firmen, Behörden und Groß-Familien. Ist das realistisch? Ist es nicht viel zu schwer für einen Menschen, Lasten von zB. 75kg per Pedalantrieb fortzubewegen?
W: Natürlich sind sowohl vom Gewicht, vom Volumen und der Entfernung Grenzen gesetzt. Aber es gibt zahlreiche Firmen oder Behörden in den Städten, die täglich Akten von einem Haus zum anderen transportieren müssen oder Briefe und Lieferungen zur Post. Auf diesem Gebiet ist das Fahrrad schneller und wesentlich kostengünstiger als ein Auto. Natürlich müssen diese Räder leichtgängig, bequem und sicher sein. Nur dann werden sie akzeptiert. Bei 75kg Gepäck liegt wahrscheinlich die Grenze.
K: Wir überlegen aber auch, für das Dreirad und das Muli einen Hilfsantrieb anzubieten. Das ist bei hügeligen Städten besonders wichtig. Niemand will durchgeschwitzt vom Rad steigen. Die Mitarbeiter sollen ja hinterher auch wieder am Schreibtisch sitzen können, ohne erst duschen zu müssen.
Hilfsantrieb am Fahrrad? Ist das nicht doch wieder der Anfang vom Auto? Ein Benzinmotor bringt Abgase und ist laut. Die Elektroakkus wiegen mehr und müssen aus der Steckdose gespeist werden. Die Strom- und Akkuherstellung verbraucht selbst auch viel Energie.
W: Ich meine, das ist weder der Anfang vom Auto noch der Ausstieg aus dem MIV, dem motorisierten Individualverkehr. Es ist einfach eine umweltfreundlichere Lösung, wenn jemand seine Wege mit einem Fahrrad mit Hilfsantrieb macht, als wenn er ins Auto steigt. Abgase und Lärm sind bei dem Verbrennungsmotor von Sachs, der Saxonette, im Vergleich zum Auto oder Motorrad minimal. Bei den Elektromotoren ist die Bilanz ähnlich.
Was wollt Ihr bei den Rädern einsetzen?
K: Beide Systeme haben Ihre Vor- und Nachteile. Wir sind noch in der Testphase und werden uns dann entscheiden.
Der Elektromotor gilt als umweltfreundlicher, besonders in Verbindung mit Solartankstellen. Weil er kaum zu hören ist, bleibt auch das Gefühl des Fahrradfahrens. Die Batterien sind in Packtaschen und können abgehängt werden. Das gibt Flexibilität. Der Motor wird mit der Nabenschaltung gekoppelt, man kann also 5-Gang oder 7-Gang nutzen. Da tritt sichs leichter. Diese Möglichkeiten bietet die Saxonette nicht.
Der wichtigste Nachteil ist noch immer die geringe Reichweite. Nur 15 bis 30km, je nach Gewicht und Gelände. Die Batterie-Kapazität ist begrenzt.
Welche Modelle wollt Ihr mit Motor ausrüsten?
W: Voraussichtlich das neue Dreirad und das Transportrad Muli, eventuell auch Kranich und Schwan. Wenn es mit der Zulassung klappt, werden wir das erste Modell 1993 ausliefern.
Das erstaunt mich. Ihr wollt also auch die normalen Fahrräder wie Kranich und Schwan damit ausrüsten? Für wen sind denn diese Räder gedacht?
W: Damit es keine Mißverständnisse gibt: Alle Räder werden erst mal ohne Motor angeboten. Die Kundin oder der Kunde entscheiden, ob sie bei diesen Modellen einen Hilfsantrieb wollen. Wir denken, daß durchaus Interesse besteht, sich das Radfahren zu erleichtern. Zum Beispiel, wenn die täglichen Strecken bisher zu lang, zu steil oder zu anstrengend waren. Oder wenn die eigenen Kräfte nicht mehr ausreichen. Dann kann ein Hilfsantrieb attraktiv sein - wenn er gut ins Rad integriert wird. Da gibt's noch viel zu tun.
"Zum Jubiläum den Kranich vorgeknöpft und um 2kg abgespeckt"
Was gibt es Neues im Jubiläumsjahr?
W: Wir haben den europäischen Teilmarkt intensiv abgeklopft und interessante Neuheiten ausgewählt. In enger Zusammenarbeit mit unseren bewährten Lieferanten haben wir unsere Modelle komplett überarbeitet - zum Teil in wesentlichen Punkten. Den Kranich zum Beispiel, der seit 1986 fast unver-ändert gebaut wird, konnten wir so um rund 2kg erleichtern. Der Clou ist hier ein neues Gepäckträger- und Befestigungssystem, wobei Korb, Tasche oder Kindersitz sicher in einem Schienensystem einrasten. Dank der guten Kooperation mit den Firmen ESGE und Winther als Kindersitzhersteller können wir dieses innovative System zu unserem Jubiläum präsentieren. Und da der Kranich als unser Kindertransportrad gilt, sorgt ein neues, automatisches Standlicht - das keine Batterie mehr braucht, sondern durch den Dynomo geladen wird - für die Beleuchtungssicherheit.
Ab wann gibt's den Kranich in dieser Ausstattung?
K: Ab sofort. Außerdem bringen wir zu unserem 10-jährigen Geburtstag ein ganz neues Rad heraus: Das Oxford! Ein leichtes, aber sehr bequemes und komfortables Tourenrad. Die Fahreigenschaften und die komfortabel aufrechte Sitzposition sind ähnlich wie bei der WanderDohle. Es ist aber um fast 4kg(!) leichter. Wir haben die wesentlichen Neuheiten führender europäischer Hersteller in dieses Rad integriert. Es wird ein richtig rundes Europa-Rad. Mehr wird noch nicht verraten.
"Oxford, das leichte europäische Jubiläumsrad"
Stichwort Europa: Ihr setzt ja schon jetzt vorwiegend europäische Bauteile ein. Der Marktführer bei Schaltungen ist aber doch Shimano, ein Japaner. Isoliert Ihr Euch da nicht?
W: Das muß differenzierter betrachtet werden. Sicherlich ist Shimano Marktführer bei Mountain-Bike Schaltungen. Aber die braucht man nicht unbedingt für Fahrräder, die vor allem komfortabel, stabil und alltagstauglich sein sollen. Der unumstrittene Marktführer bei Naben- und Kombinationsschaltungen ist dagegen immer noch Fichtel & Sachs. Wir konnten dies gerade bei den neuen 7-Gang Naben beobachten, die gleichzeitig von Sachs und Shimano gekommen sind. Die jahrzehnte-lange Sachs-Erfahrung wird beim Fahren deutlich: Die Sachs Super 7 verfügt über eine größere Entfaltung und einen wesentlich besseren Berggang. Dazu ist sie robust gebaut wie die gute alte Torpedo Dreigang. Dies sind nach unserer Meinung die entscheidenden Vorteile für die Benutzer. Das wiegt das optisch perfektere Shimano-Design und das leichtere Schalten auf.
Völlig konkurrenzlos ist Sachs bei den kombinierten Ketten-Nabenschaltungen wie der Orbit, die wir seit 7 Jahren ein-setzen. Von Jahr zu Jahr wird sie bekannter und beliebter. Denn sie ist einfach zu bedienen und dabei leicht und berggängig zu fahren. Das wirbt für sich selbst. Ab unserer Hausmesse werden wir sie mit 2x7 Gängen und Trommelbremse anbieten können. Das gibt es nur beim Sachs und nicht aus Fernost.
K: Ab Frühjahr 93 kommt eine weitere Kombinations-Schaltung dazu: Die Torpedo mit 3 Gängen in der Nabe und 7 Ritzeln, also insgesamt 21 Gängen. Damit kommt man locker steile Berge hoch und hat auch bei Rückenwind bergab noch was zum Treten. Das Ganze mit nur einem Kettenblatt vorne, also keinen Schwierigkeiten beim Schalten. Das meinen wir, sind wirklich wichtige europäische Innovationen für Fahrräder der Zukunft.
Das waren jetzt die Nabenschaltungen, Ihr setzt aber doch auch eine 24 Gang Kettenschaltung ein.
K: Richtig und zwar von Campagnolo aus Italien. Ich fahre diese Schaltung auf meinem London und genieße die Schaltungsperfektion. Ganz besonders die enorm leichte Untersetzung mit vorne 24 und hinten 32 Zähnen. Selbst mit voll-geladenem Donkey macht mir dann das Fahren noch Spaß. Campagnolo, bekannt aus dem Rennradsport, ist dort trotz Fernost-Konkurrenz noch heute führend in Technik und Bearbeitung von Fahrradzubehör. Die Lagertechnik der Antriebe und Naben, die hohe Präzision in allen Bauteilen macht viel und ausdauernd Freude.
Das war ja wirklich ein engangierter Vortrag. Zurück zum Alltag: Was wünscht Ihr Euch für die kommenden 10 Jahre?
K: Ich denke an unser neues Kinderrad-Programm, das Winther in Dänemark für uns produziert. Es sind kindgerechte, äußerst robuste und sichere Kinder- und Spielräder. Wir waren davon so angetan, daß wir fast 1 Jahr lang mit Anders Winther diskutiert und experimentiert haben, um ein eigenes Programm für den deutschen Markt zusammenzustellen. Deshalb ist es mein spezieller Wunsch, daß diese Räder bei möglichst vielen Eltern und Großeltern die gleiche Verzückung auslösen wie bei uns.
W: Für unser Produktionsteam wünsche ich mir vor allem Gesundheit und gute Zusammenarbeit, dann werden auch unsere Fahrräder so gut, wie unsere Kunden sie gerne haben.
Und die europäische Fahrradbranche sollte schneller reagieren und mehr Selbstbewußtsein und Mut zu Innovationen aufbringen. Dann ließen sich noch bessere Räder bauen. Zum Schluß wünsche ich ganz unbescheiden, das Utopia allgemein zum Markenzeichen für komfortable und innovative Fahrräder aus dem Saarland wird.
Ich danke Euch für das Gespräch und jetzt möchte ich wirklich gern das neue "Oxford" ausprobieren!
Fahrrad Geschichte:
Utopia Museum in Bildern
(Räder aus 40 Jahren)
Das 25 Jahre Jubiläum:
IFMA 2007 (September 2007)
Hausmesse 2008 (Januar 2008)
Sommerfest 2008 (Juli 2008)
Laudatio
Redetext von Barbara und Bernd Rohloff zum 25 jährigen Utopia Jubiläum
Geschichte aus der
Vor Pedelec Zeit
Präsentation in Bilder und Text zur Geschichte
(1982 - 2008)